„Europa, wir müssen reden“ – unter diesem Motto luden die Hofer Jusos letzte Woche zur Podiumsdiskussion in die Kulturkantine ein. Denn ob Brexit oder Victor Orban, die jüngsten Wahlen in Österreich oder Frankreich – den Beziehungsstatus zwischen Europa und seinen Bürgern könne man getrost als kompliziert beschreiben, befand Patrick Leitl von den Hofer Jusos eingangs. Diesen Gedanken griff Sophia Fischer auf, die als Bezirksvorsitzende der Jusos die Moderation übernahm. „Woher kommt der schlechte Ruf der EU, ist dieser gerechtfertigt und was könnte man besser machen?“ Diese Leitfragen standen gut zwei Stunden im Fokus der Diskussion.
SPD-Bundestagskandidat Jörg Nürnberger verglich die EU mit einem Haus: „Nach 50 Jahren muss man das Dach reparieren, sonst regnet es rein. Entsprechend gehöre auch die EU reformiert.“ Dem stimmte auch Jörg Noldin, der Erasmus-Koordinator der Hochschule Hof, zu. „Die Union war ursprünglich als Wirtschaftsbündnis konzipiert und das ist im Grunde auch heute noch so – sie investiert zu wenig in die Menschen. Die EU ist den Menschen deshalb zu abstrakt.“ Studien zeigen, dass die Teilnahme an Programmen wie Erasmus, der Kontakt mit Menschen aus ganz Europa sinnstiftend sein könne, wusste Noldin zu berichten. Sein Fazit: „Die europäische Identität, die muss man erfahren.“
Ingo Wagner, als Interessensvertreter für den Europäische Fernwärmeverband in Brüssel tätig, wollte zunächst mit ein paar Vorurteilen gegenüber der EU aufräumen, die ihn gewissermaßen auch selbst betreffen. „Lobbyismus ist per se nichts Schlechtes. Demokratie lebt von Interessensvertretung und genau das tun Menschen wie ich. Wir schreiben keine Gesetze, sondern wir vertreten Interessen. Aufgabe der Politik ist es, zwischen den einzelnen Interessen abzuwägen und Entscheidungen zu treffen. Auch in Europa treffen am Ende Politiker die Entscheidungen und nicht die Lobbyisten.“
Wagner räumte sogleich mit der nächsten Mär auf. Stichwort: Bürokratismus. „Bayern brauche für drei Prozent der Gesamtbevölkerung der EU zehn Mal mehr Beamte. Bei den EU-Richtlinien verhalte es sich genauso: „Wenn Gesetze und Verordnungen in Brüssel verabschiedet werden haben sie 30 Seiten, wenn sie auf nationale Gesetzgebung in Berlin runtergebrochen wurden sind es bereits 300 und wenn München damit fertig sind wir 3000 Seiten. Wo gibt es also mehr Bürokratie?“ Das bestätigte auch Jörg Nürnberger: „Jeder will mitreden und am Ende kommen bürokratische Konstrukte heraus, die keiner mehr versteht.“ Generell, so Nürnberger, mache es sich die Politik mit der EU zu einfach: „Werden Mittel aus der EU geworben, feiert sich Landes- und Kommunalpolitik bei der Übergabe der Förderbescheide selbst. Wenn aber etwas schiefläuft, dient Brüssel als Sündenbock. Was den schlechten Ruf betrifft, da müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen.“ Und dennoch – da waren sich alle einig – die europäischen Institutionen müssten reformiert werden. Demokratischer, mehr Transparenz und mehr Investitionen in Menschen statt in Beton und Grenzschutz. „Wir müssen mit mehr Leidenschaft für Europa und die Werte für die die EU steht kämpfen. Wir dürfen den Rechtspopulisten und EU-Skeptikern nicht das Feld und die Deutungshoheit überlassen – und genau dafür war die Diskussion heute gut“, fand Jungpolitikerin Sophia Fischer abschließend.